Energiewende und Denkmalpflege
Historische Kulturlandschaft und neue Energielandschaft – Erfahrungen aus Bayern
Thomas Gunzelmann
2013-03-22
Vortrag beim XXXII. Deutscher Kunsthistorikertag Universität Greifswald Freitag 22. März 2013
Erwarten Sie von mir nicht eine flammende Philippika gegen die „Verschandelung“ der Kulturlandschaft, einem Schlagwort, das von den Zeiten der Heimatschutzbewegung um 1900 bis zu den Wutbürgern von heute immer wieder zu hören ist. Als Vertreter eines Landesdenkmalamtes möchte ich vielmehr versuchen, den von der Energiewende nicht ausgelösten, sondern lediglich beschleunigten Wandel der Kulturlandschaft und die Möglichkeiten seiner Steuerung nüchtern und rational darzustellen. Ziemlich vermessen ist es auch, als Bayer etwa Norddeutschen Vorschläge zum Umgang mit der Windkraft machen zu wollen, liegt Bayern doch abgeschlagen auf dem letzten Platz der Windkrafttabelle. Spitzenreiter sind wir allerdings bei den Themen Solarenergie und Biomasse. So lässt es sich vielleicht doch rechtfertigen, wenn ich hier zum Thema „Historische Kulturlandschaft und neue Energielandschaft“ einiges beitragen möchte.

Voranstellen möchte ich einige Überlegungen zum Verständnis des Komplexes Kulturlandschaft. Dieser durchaus schillernde Begriff wird von vielen im Raum wirkenden Akteuren für die eigenen Zwecke instrumentalisiert, weil er verständlich klingt und positiv besetzt ist. Daher ist es wichtig darzustellen, welche konkreten Inhalte man damit vermitteln will, denn fast jeder versteht etwas anderes darunter.
In einem zweiten Teil möchte ich die Rolle der Kulturlandschaft als Schnittstelle zwischen Natur und Kultur beleuchten, in der sich das Netz der historischen Beziehungen zwischen dem Menschen und seiner Umwelt materiell und immateriell ausdrückt. Dabei kann ich aus Gründen der Fairness nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass Kulturlandschaft immer schon in hohem Maße Energielandschaft war. Übertragen auf die aktuellen Verhältnisse sind daher vor allem die Frage der Maßstäblichkeit und der Dominanz neuer Elemente zu diskutieren. Wie dies aussieht und ob eine solche Maßstäblichkeit überhaupt erreicht werden kann, soll an einigen konkreten Beispielen vorgeführt werden.
Der letzte Teil des Vortrags wird sich schließlich mit der Frage beschäftigen, welche Instrumente zur Verfügung stehen, diese Maßstäblichkeit und damit die kulturlandschaftliche Verträglichkeit im Rahmen der politisch gewünschten und sicherlich sinnvollen Energiewende zu gewährleisten.
Der Begriff der Kulturlandschaft
Der Begriff „Kulturlandschaft“ weist zwei grundsätzliche Stärken auf: Er ist einerseits zweifelsohne grundsätzlich positiv besetzt, anderseits aber in seinen Bedeutungsinhalten ambivalent, weswegen er von vielen Disziplinen und in vielen Situationen des politischen und gesellschaftlichen Alltagslebens immer wieder herangezogen wird. Dabei wird er in der Regel undefiniert und inhaltlich nicht weiter begründet angewendet.
Zwei Beispiele aus der Rechtssprechung mögen dies verdeutlichen: So stellte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht 2007 anlässlich des Versuchs eines Repowerings der bereits bestehenden Windkraftanlagen im Umfeld der St. Bartholomäuskiche in Wesselburen (Dithmarschen)fest: Die historische und landestypische, durch die Kirche geprägte Kulturlandschaft kann so kaum wahrgenommen werden und wies damit die Klage des Investors zurück – in einer vorbelasteten Landschaft mit insgesamt vier eher bescheidenen Kulturdenkmalen. Dagegen sah zwar das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich bei dem „Gottesgarten“ um eine historische Kulturlandschaft* handele, die insbesondere durch das Kloster Banz und die Basilika Vierzehnheiligen ihren einzigartigen Reiz erhalte, kam aber 2004 zu dem Schluss, dass die Vorbelastung durch Gewerbebauten im Tal schon sehr hoch sei und die Blickbeziehungen zwischen dem hochgelegenen Banz und Vierzehnheiligen durch die zu bauende Autobahn ohnehin nicht gestört würden. Hier ist der Inhalt von Kulturlandschaft auf noch dazu falsch verstandene Sichtverbindungen reduziert. Ganz unabhängig davon, was man nun von diesen Urteilen im Einzelnen halten mag, sie zeigen doch deutlich die Unsicherheit im Umgang mit Begriff und Inhalt der Kulturlandschaft und das weitgehende Fehlen von Beurteilungsmaßstäben. Es ist daher in unserer weiteren Argumentation umso wichtiger, klarzustellen, was man darunter zu verstehen hat und die einzelnen Bestandteile dieses Schutzgutes und seiner Qualitäten deutlich zu benennen. Um es gleich zu sagen: Das macht Arbeit und kostet Zeit und Geld, was wir beides meist nicht haben.
Zum positiven Grundgehalt: Mit dem Begriff der Kulturlandschaft verbinden sich in den Köpfen auch vieler Fachleute Vorstellungen von Vielgestaltigkeit, traditioneller Landnutzung und ökologischer Tragfähigkeit, Schönheit, Überschaubarkeit, Heimat und Identität. Dieser grundsätzlich positive Bedeutungsgehalt und die ambivalente Verwendung des Begriffs verstärken sich gegenseitig und sorgen damit für ein gerne vielseitig angewandtes diffuses Schlagwort.
Deswegen verwende ich hier lieber den Begriff der „historischen Kulturlandschaft“, um der Ambivalenz aus dem Wege zu gehen. Landschaft oder Kulturlandschaft rückt erst dann in die Nähe des Denkmalbegriffs, wenn wir in ihr materielle Spuren menschlichen Handels in der Vergangenheit finden, die als Geschichtszeugnis menschliche Leistungen ablesbar machen. Trotz dieser eindeutigen Konzentration auf das materielle Geschichtszeugnis spielten in der langen Geschichte der Denkmalpflege der Bildwert, die Ausstrahlung des Denkmals, damit sein Wert für seine Umgebung eine wechselnde, kritisierte, aber immer noch bedeutende Rolle. Dies gilt umsomehr, wenn es sich um größere Denkmalzusammenhänge wie das Ensemble, und ja, verwenden wir auch diesen Begriff, als „Denkmallandschaften“ zu beschreibende Kulturlandschaften geht.
Eine weitere grundsätzliche Parallele zwischen dem Denkmal und der Kulturlandschaft ist das konstituierende Element der Veränderung. Der ununterbrochene Wandel ist gerade das Wesensmerkmal der Kulturlandschaft, ohne die Veränderung wäre keine Kulturlandschaft entstanden. Ähnlich steht es allerdings auch um das Denkmal. Es ist nicht unveränderliches Ergebnis eines einmaligen Schöpfungsaktes, sondern in der Regel Zeugnis eines länger währenden historischen Prozesses.
In diesem Sinne kann man von einer historischen Kulturlandschaft sprechen, wenn eine aktuelle Kulturlandschaft stark durch historische Elemente und Strukturen geprägt ist. Diese Strukturen können in verschiedenen zeitlichen Schichten entstanden sein und auch miteinander verknüpft sein. Sie sind dann historisch, wenn sie heute aus wirtschaftlichen, sozialen, politischen oder ästhetischen Gründen nicht mehr in der vorgefundenen Weise neu entstehen würden. Denkmale sind die bestimmenden Teile einer solchen historischen Kulturlandschaft, dazu gehören aber auch historische Bauten ohne explizite Denkmaleigenschaft und alle weiteren materiellen Elemente und Strukturen, die in einem funktionalen und zeitlichen Beziehungsgeflecht miteinander verwoben sind. Dies können historische Flurformen und Landnutzungssysteme, historische Verkehrswege und Gewerbeeinrichtungen, Militär- und Grenzanlagen, religiöse Male, aber auch Freizeit- und Erholungsorte der Vergangenheit sein, dem breiten Spektrum sind fast keine Grenzen gesetzt, alles ist Kulturlandschaft. Wenn sich viele solcher Elemente so verdichten, dass sie noch heute die Landschaft prägen, oder wenn einige wenige heute noch den Charakter der Landschaft bestimmen, kann man von einer „historischen Kulturlandschaft“ sprechen. Dabei ist aber immer zu bedenken, dass auch eine solche Kulturlandschaft viele aktuelle Elemente in sich trägt und ihre Feststellung damit immer auch ein geistiges Konstrukt beinhaltet.
Kulturlandschaft und ihr Schutz
Beim Schutz der Kulturlandschaft steht die Denkmalpflege nicht allein. Was sich zunächst sehr positiv anhört, entpuppt sich in der Praxis manchmal eher als lästig. Zuständigkeiten sind unklar, die Interessenlage unterschiedlich, kurz: Viele Köche können hier manchmal den Brei ganz schön verderben. Die Ambivalenz des Begriffs und seine positive Konnotation hat es mit sich gebracht, dass er in den letzten Jahren Eingang in eine Reihe von Politikfeldern geradezu als Leitbild der räumlichen Entwicklung gefunden hat. In der Raumordnung und der Agrarpolitik, aber auch in Naturschutz und Denkmalpflege hat er zudem Niederschlag in Gesetzestexten gefunden. Nicht vergessen werden dürfen die europäischen und internationalen Konventionen, insbesondere auch die Welterbe-Konvention der UNESCO, die ausdrücklich Kulturlandschaften in das Welterbe einbezieht. Eine federführende Kompetenz bei der Behandlung der Kulturlandschaft kommt keiner der genannten Institutionen zu, schlimmer noch, jedes dieser Felder setzt andere und oft unkoordinierte Schwerpunkte. Es bedarf daher regelmäßig eines hohen Koordinierungsaufwandes, um zu einem Minimalkonsens zu kommen, so er denn überhaupt gesucht wird.
Auch innerhalb der Denkmalpflege ist die Situation nicht einfach. Das Thema ist zwar angekommen, allerdings haben längst nicht alle Vertreter der Disziplin dies akzeptiert oder gar verinnerlicht. So ist es durchaus berechtigt, die Kulturlandschaft und ihre Elemente zu den „unbequemen Denkmalen“ zu zählen, denen man sich nur widerstrebend nähert, wie das Norbert Huse schon 1998 getan hat.
So kommt es, dass – aufs Ganze gesehen – der Schutz der Kulturlandschaft durch die amtliche Denkmalpflege noch immer recht stiefmütterlich betrieben wird. Umso wichtiger sind daher auch bürgerschaftliche Initiativen, die in diese Richtung denken. Hier kann auf die Tradition der Heimatschutzbewegung verwiesen werden, die vor über hundert Jahren schon einmal eine Symbiose von Naturschutz und Denkmalpflege im Sinne eines Schutzes der Kulturlandschaft angestrebt hat, über die Tragik ihres letztlichen Scheiterns braucht an dieser Stelle nicht nachgedacht werden. In ihrer Nachfolge stehen heute die Heimatverbände, die im BHU, dem „Bund Heimat und Umwelt“ zusammengeschlossen sind. Er hat sich bereits in seiner „St. Marienthaler Erklärung“ 2011 zur Energiewende und zum Schutz der Kulturlandschaft geäußert. Auch auch andere Verbände sind in dieser Hinsicht schon tätig geworden, etwa der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“ oder die „Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur“ im Januar 2013. In diesem Sinne ist es auch höchst erfreulich, wenn der „Verband deutscher Kunsthistoriker e.V.“ sich mit einem „Greifswalder Appell“ zur „Bedrohten Kulturlandschaft“ zu Wort meldet.
Energie und Kulturlandschaft – gestern und heute
Auch in der historischen Kulturlandschaft nahmen und nehmen die mit Energieerzeugung und Transport verbundenen Elemente einen breiten Raum ein. Ganz grob unterscheidet die Umweltgeschichte drei historische Phasen der Energieerzeugung. Die erste Phase ist des Einsatzes von menschlicher und tierischer Muskelkraft sowie von Biomasse zur Verbrennung, zur der dann die Nutzung der regenerativen Energien von Wasser und Wind traten. Spätestens um 1800 begann der Einsatz der fossilen Energien, zunächst vor allem von Kohle, Fahrt aufzunehmen. Auch dieser lange andauernde Übergang zu fossilen Energieträgern war eine Energiewende mit umwälzenden Auswirkungen auf Gesellschaft und Landschaft. Die dritte Phase, die postfossile Phase beginnt – vielleicht – heute.
Kulturlandschaftlich betrachtet war die Energieproduktion der Frühen Neuzeit eine tendenziell dezentrale, die bis heute anhaltende Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen eine tendenziell zentralistische. Wenige Kraftwerksstandorte versorgen das ganze Land. Die Energieerzeugung der postfossilen Ära wird dagegen wieder eine dezentrale sein. Diese Umstellung bewirkt einen großen Teil der Brüche, die geradezu systemimmanent sind: Es geht um die Neuaushandlung vieler Standorte, aber auch noch mehr um die Neuverteilung dauerhaft und verlässlich fließender Finanzströme. Die großen Stromkonzerne, die erst durch die Zentralisierung der Energieproduktion entstanden sind, müssen befürchten, dass die zwangsläufige Dezentralisierung zur Aufhebung ihrer Monopole führt. Auf der anderen Seite treten neue, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes auch „windige“ Investoren auf, die meinen, bei der Neuverhandlung der Standorte absahnen zu können. Der eigentlich wünschenswerte Ansatz, der Kommunen und Bürger wieder stärker an der Energieproduktion beteiligt, kann in diesem Konfliktfeld leicht unter die Räder kommen.
Schon vorindustrielle Energiegewinnungssysteme konnten die Kulturlandschaft entscheidend prägen. Drei Beispiele unter vielen mögen genügen. Das weitverzweigte System der Oberharzer Wasserwirtschaft etwa sollte die Energieversorgung des Bergbaus sicherstellen. Es brachte mit Teichen und verzweigte Kanälen, die zwischen 1560 und 1860 immer weiter ausgebaut wurden, erhebliche Eingriffe in die damalige Kulturlandschaft. Heute ist diese Energiekulturlandschaft mit dem Prädikat Welterbe ausgezeichnet.
Ein zweites naheliegendes Beispiel sind die Windmühlen Hollands. Für die Entwicklung der niederländischen Kulturlandschaft war die Polder-Windmühle unabdingbar, für die Entwicklung des ausgreifenden Seehandels die Sägewindmühle. Mehr als 10000 Mühlen prägten im 17. Jahrhundert die Landschaft Hollands, und sie wurden schon früh als Ikonen eines prosperierenden Staats aufgefasst. Dafür steht etwa das Gemälde von Jakob van Ruisdael „Die Mühle bei Wijk van Duurstede“ (1670), das als ein Klassiker der niederländischen Landschaftsdarstellung gilt. Zahlreiche Gemälde und Grafiken, die 2007 zu einer Ausstellung „Meesters en Molens“ in Den Haag versammelt waren, zeigen, dass Windmühlen fester Bestandteil der Silhouette von Städten, aber auch in der freien Landschaft zum Beispiel entlang von Flüssen und Kanälen waren. Dabei konnten sie freilich auch in eine Konkurrenz zu religiösen oder repräsentativen Bauten treten, die aber so nicht gesehen wurde. Nur am Rande darf darauf verwiesen werden, dass die berühmte Silhouette Greifswalds von Caspar David Friedrich zumindest randlich auch von Windmühlen mitgeprägt wurde.

Kulturlandschaftliche Folgen der Energiewende
Prägten schon die Produktionsstätten und Transportwege der Energie die historische Kulturlandschaft, so tun dies die aktuellen mit ihrer Tendenz zur Höhe und Fläche erst recht. Schlagwortartig wird dieser Wandel von Kritikern als „Vermaisung“, als „Verspargelung“ und „Verspiegelung“ der Landschaft beschrieben. Neu ist diese Terminologie trotz ihrer ironisch-agrarischen Metaphorik nicht. Sie steht in der Tradition der „Verheerung“ und „Verschandelung“ des Heimatschutzes mit seiner überwiegend ästhetisch-moralisierenden Komponente. Sie hat mit der „Verdrahtung“ der Landschaft einen direkten Vorläufer, der sich gegen den damaligen Leitungstrassenbau richtete. Am Beispiel der „Verdrahtung“ lässt sich die Problematik der Denkmalpflege gut verdeutlichen. Bereits 1979 hatte Tilmann Breuer darauf aufmerksam gemacht, dass den Masten der Hochspannungsleitung am Lech, die 1940 von Adolf Abel entworfen wurden, eine Bedeutung als „Landdenkmal“ zukäme, allerdings schreckte er noch vor dem Verdikt der Heimat- und Landschaftsfreunde – wie er sich ausdrückte – zurück. Mittlerweile stehen bereits einige Stromtrassen aus dieser Zeit in der Denkmalliste mancher Bundesländer. Das heißt keineswegs, dass solche Eingriffe in die Landschaft und die dadurch bewirkten Veränderungen „verjähren“, also etwa nach einer Gewöhnungsphase durch die Bevölkerung akzeptiert würden. Für technische Großstrukturen in der Landschaft gilt dies nicht, wie empirische Untersuchungen zeigen konnten. Es heißt einfach nur, dass solche Eingriffe, die ästhetisch negative Wirkungen zeitigen, irgendwann, je nach historischer Bedeutung, auch Denkmalcharakter erlangen können.

Man sieht also, dass die ästhetisch begründete Reinhaltung der Landschaft nicht zentrales Anliegen der Denkmalpflege sein kann. „Schönheit“, „Eigenart“ und „Vielfalt“ der Landschaft, damit auch der Kulturlandschaft, haben die Kollegen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu beurteilen. Auftrag der Denkmalpflege ist es, die Integrität von materiellen Geschichtszeugnissen zu bewahren. In erster Linie ist dieser Zeugniswert an ihre Substanz gebunden, die ein historische sein muss. Mit dieser Geschichtlichkeit geht zwangsläufig ihre Ortsgebundenheit einher. Wenn nun Denkmale nur an ihren spezifischen Ort ihre Aussagekraft entfalten können, gehört notwendigerweise die Beziehung zu ihrer Umgebung zur Denkmalsubstanz dazu. Dieser Substanzbegriff ist also ein weiter, er umfasst auch die Funktion des Denkmals in und für seine Umgebung, seine Gestalt und damit sein unversehrtes Erscheinungsbild von der Umgebung aus. Der Raum dieser Wechselwirkung zwischen Denkmal und Umgebung ist der „Wirkungsraum“, der sich in einen „visuellen“ und einen „funktionalen“ differenzieren lässt, die beide keine identische Ausdehnung haben müssen.
Um diese Zusammenhänge etwas plastischer darzustellen, sei das Beispiel der Veste Coburg angeführt. In ihrer topographischen Lage auf einem steilen Sporn über der Stadt ist sie weithin sichtbar, bei guter Sicht durchaus bis zu 30 km. Aber schon in einer Entfernung von 10 km ist auch bei dieser mächtigen Burganlage der Punkt erreicht, an dem man eine Landschaft mit Burg und nicht eine Burg mit Landschaft wahrnimmt. Dieser gedankliche Wechsel bestimmt die Grenze des optischen Wirkungsraums, außerhalb befindliche Anlagen können noch als konkurrierend, aber nicht mehr als beeinträchtigend beurteilt werden. Von diesem visuellen Wirkungsraum ist der funktionale Bezugsraum zu unterscheiden. Er umfasst selbstverständlich den Herzogssitz der Veste wie die ihr zu Füßen liegende Residenzstadt, beide über den Hofgarten durch einen eindrucksvollen Grünzug miteinander verbunden. Und selbst verständlich gehören zum funktionalen Bezug, zur Struktur einer Residenzlandschaft, die wiederum über Wege und Alleen angebundenen Sommer- und Prinzensitze Rosenau und Callenberg, die wiederum über eigene Gartenanlagen verfügen, die Struktur dieser Kulturlandschaft ebenfalls entscheiden prägen. Weitere Landsitze mit ihren Gärten sorgen dafür, dass man für das 19. Jahrhundert hier durchaus von einer „Insel Klein-England“ sprechen kann, die sich nicht nur dem neugotischem Zeitgeist, sondern dem Vorbild des Prinzen Albert, Gemahl der Königin Victoria, Sohn und Bruder der beiden Coburger Herzöge mit Namen Ernst. Damit eröffnet sich ein vielfältiger funktionaler Wirkungsraum, den näher zu diskutieren hier keinesfalls Zeit ist.
Leitlinie für den Umgang mit der Umgebung des Denkmals ist nun der Maßstab, wie es schon die Charta von Venedig von 1964, sozusagen die „Magna Charta“ der internationalen Denkmalpflege feststellt. Will man der Umgebung eines Denkmals etwas hinzufügen, so muss der Maßstab eingehalten werden. Damit sind im obigen Sinne nicht alleine die reinen Größenverhältnisse gemeint, sondern auch das strukturelle und funktionale Verhältnis des Neuen zum Alten.
Und genau darin liegt das Problem der neuen Energien. Auch wenn sie grundsätzlich dezentral gedacht sind, so lassen sie sich auf Grund ihrer Höhenentwicklung und ihres Flächenbedarfs eben nur selten in die gegebenen Strukturen der historischen Kulturlandschaft einfügen, weder in die dörflichen, noch in die der hergebrachten bäuerlichen Agrarlandschaft. Einige wenige Beispiele mögen dies illustrieren.
Beginnen wir mit der Energieerzeugung aus Biomasse, eine Form der regenerativen Energie, die gerade in Bayern, mit seiner hohen Wertschätzung der bäuerlichen Landwirtschaft, in den zurückliegenden Jahren eine hohe Förderung erfahren hat. Mittlerweile scheint ihr Höhepunkt jedoch überschritten. Von den kulturlandschaftlichen Auswirkungen, die mit dem Schlagwort der „Vermaisung“ umschrieben werden, ist die traditionell strukturierte vielfältige Kulturlandschaft, so es sie denn noch gibt, durchaus betroffen. Es soll aber hier lediglich der Blick auf die Frage des Maßstabs, das heißt, des Verhältnisses der nötigen Anlagen zur Siedlung und zur landschaftlichen Struktur, angesprochen werden.
Zwei Beispiele aus Mittelfranken mögen dies verdeutlichen. Im ersten Fall handelt sich um ein kleines Dorf, einen Weiler, der aus einem patrizischen Landgut hervorgegangen ist. Sein charakteristischer Ortsrand ist im Osten, beim ehemals vom Wasser umgebenen Ansitz noch gut erhalten. Im Westen des Ortes befanden sich Zier- und Wirtschaftsgarten des Gutes, an dessen ursprünglicher Struktur die Grenze des heutigen Denkmalensembles ausgerichtet ist. Der heutige Landwirt als Hofnachfolger ist wohl kaum mehr in der Lage, diese strukturellen Zusammenhänge zu beachten und nutzte den ehemals von einer heute noch in Resten erhaltenen Wallheckenanlage umgegebenen ehemaligen Garten zur Errichtung einer Biogasanlage. Dabei sind es oft nicht einmal die mit einer grünen Haube bedeckten Fermenter, die sich nicht mehr in die gegebenen Strukturen einfügen lassen, sondern die Vorratsbunker mit der Biomasse. Dieser lässt sich weder maßstäblich an den Ortsrand anpassen, noch nimmt er Rücksicht auf den ehemals vorhandenen historischen Garten.
Auch in der freien Landschaft errichtete Biogasanlagen können die überkommenen Strukturen der Kulturlandschaft wie auch Blickbeziehungen erheblich stören. Die Privilegierung landwirtschaftlicher Nutzbauten erlaubt nahezu beliebige Standorte, wenn man sich auch fragen darf, ob das noch Landwirtschaft ist. Auch beim zweiten Beispiel ist es noch stärker das Vorratslager, das hier schon pyramidale Ausmaße annimmt, das den Maßstab bricht, als die eigentliche Anlage, die aber auch schon dominant ist. Die am erhaltenen historischen Ortsrand positionierte, von einem Weiher umgebene Dorfkirche kann ihre Wirkung nicht mehr ungestört in den Landschaftsraum entfalten.
Auch Freiland-Photovoltaikanlagen brechen, sollen sie denn wirtschaftlich sein, viele Maßstäbe der überlieferten Kulturlandschaft. Als Beispiel für die flächenhafte Veränderung einer gesamten historischen Gutsflur sei hier des ehemaligen Universitätsguts und sommerlichen Rekreationssitzes der Bamberger Jesuiten mit seinem barocken Haupthaus und den weiteren Gutsgebäuden angeführt. Der heutige Besitzer des Gutes hat die ehemaligen Wirtschaftsflächen mit „zeitgemäßen“ Neunutzungen besetzt: zunächst mit einem Golfplatz, dann mit einem Reiterhof, dessen Gebäude die denkmalgeschützten Gutsgebäude bereits in den Hintergrund drücken und nun jüngst auch noch mit einer riesigen Freiland-Photovoltaikanlage. So entstand eine neue Kulturlandschaft mit Energie- und Freizeitnutzung, die historische Gutslandschaft, die auf Nahrungsmittelproduktion zugeschnitten war, ist verschwunden. Der barocke Gutshof, beherrschend auf dem höchsten Punkt seiner Flur gelegen, hat sowohl seine visuelle wie funktionale Dominanz verloren. Wenigstens ist mit der Neufassung des EEGs am 01. Januar 2012 hinsichtlich solcher Anlagen eine gewisse Entspannung eingetreten, da nur noch Konversionsflächen, Flächen an Autobahnen oder Schienenwegen oder im Gewerbe- oder Industriegebiet entsprechend gefördert werden.

Aber auch die nach vor wie geförderten Dachflächenanlagen können vergleichbare Wirkung haben, wenn sie gebündelt auftreten. Manche Dorfränder haben sich schon in abgrundtief scheußliche Situationen verwandelt, bei manchen konnte Ähnliches verhindert werden. Zur Illustration ein Dorf aus dem fränkischen Steigerwald, das zwar hinsichtlich seiner historischen Bausubstanz unerheblich ist, aber dennoch die bisher noch häufig anzutreffende Einfügung in die umgebende traditionelle Kulturlandschaft aufgegeben hat. Problematisch für die Denkmalpflege wird dies jedoch erst, wenn historische Dorfstrukturen und herausragende Einzelbauten in ihrer Integrität in ihrer Umgebung betroffen sind, wie bei folgendem Beispiel. Hier sind Schloss und Kirche in ihrer Landschaftswirkung durch einen maßstabslosen landwirtschaftlichen Nutzbau beeinträchtigt, der wie alle solchen Bauten im Außenbereich privilegiert ist. In letzter Zeit wurden diese solche Gebäude regelmäßig mit Solardächern versehen, ja es wurden sogar scheunenartige Bauten in der freien Flur errichtet, die einzig den Zweck hatten, ein Solardach zu tragen. Diese Auswüchse hat die Novellierung des EEGs immerhin beschnitten.
Doch nun endlich zum brennendsten Thema: die Energieerzeugung durch Wind. Schon aufgrund ihrer schieren Größe sind Windkraftanlagen immer landschaftswirksam und geraten leicht in Konflikt mit dem Wirkungsraum von Denkmalen. Im Hinblick auf die Windkraft sind uns in Bayern alle anderen Bundesländer weit vorausgeeilt. Wir haben also die Chance, die Erfahrungen anderer zu nutzen oder auch die Fehler, die andere schon gemacht haben, zu wiederholen. Die Karte der Windkraftnutzung in den Bundesländern zeigt, wenn man Bremen als Stadtstaat vernachlässigt, Schleswig-Holstein als einsamen Spitzenreiter, gefolgt von Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Brandenburg. Mecklenburg-Vorpommern liegt da noch eher im Mittelfeld. Die Südländer liegen weit hinten, was einerseits an der Windhöffigkeit, andererseits aber an deren Energiepolitik vor der Energiewende liegt.
Daher haben auch zuerst die Kollegen in Schleswig-Holstein in der ersten Hälfte der 1990er Jahre auf die Probleme in Bezug auf die Denkmale und die Kulturlandschaft aufmerksam gemacht. Doch was waren das für bescheidene Rädchen? Seither haben die Dimensionen unaufhörlich zugenommen, heute übliche Anlagen haben Nabenhöhen von 140 m, dazu kommt der Rotor mit 60 m, was eine Gesamthöhe von 200 m ergibt. Sie sind damit in jedem Fall extrem landschaftswirksam und treten so in Konkurrenz zu landschaftsprägenden Denkmalen, und zwar sowohl visuell als auch funktional. Die Gefahr ist daher hoch, dass bei unbedachter Standortwahl landschaftliche Situationen entstehen, die Denkmale in ihren Wesen und in ihrer Umgebung schwer beeinträchtigen. Zum Wesen gehört ihr Landmarkencharakter, der eben nicht nur rein visuell ist, sondern eine historisch begründete Zeichensetzung: Die Burg ist ein weithin sichtbares, möglichst konkurrenzloses Zeichen der Herrschaft, die Wallfahrtskirche ein weit ausstrahlendes Zeichen des Glaubens, die Stadtsilhouette mit Mauern, Toren und Türmen ein Zeichen bürgerlichen Selbstverständnisses.
Optische Beeinträchtigungen solcher Landmarken entstehen einerseits in der Kulissenwirkung, wenn der Hintergrund des Denkmals durch Windkraftanlagen beherrscht oder wenn sich die Ansicht des Denkmals gar mit einer solchen Anlage schneidet. Anderseits können WKAs vor Denkmalen häufig genutzte Blickbeziehung schädigen, besonders wenn dabei historische begründete Blickachsen verstellt werden. Windfarmen mit 10 und mehr Einzelstandorten können nicht nur einzelne landschaftsprägende Denkmale beinträchtigen, sondern den Charakter eines größeren Kulturlandschaftsausschnitts tiefgreifend verändern. Handelt es sich dabei um eine historisch geprägte Kulturlandschaft, ist das Anliegen der Denkmalpflege betroffen. Heutige Windfarmen haben eine optische Reichweite von mindestens 10 km, die durch die Drehung der Rotorblätter, die farbliche Kennzeichnung als Flughindernis und die deswegen in der Dunkelheit blinkende Anlage verstärkt wird.

Im Ganzen betrachtet geht es um die Konkurrenz und Koexistenz zweier im Grundsatz gleichberechtigter Anliegen: dem Kulturgüterschutz und dem Klimaschutz. Eine vollständige Vermeidung der Beeinträchtigung von Kulturgütern konnte bisher nicht gewährleistet werden und wird unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erst recht nicht zu erreichen sein. Schon die Tatsache, dass die grobe Standortplanung im Rahmen der Regionalplanung wie auch die Standortgenehmigung im Rahmen des Immissionsschutzgesetzes Abwägungsentscheidungen sind, und das Schutzgut Kultur nicht den Rang eines automatischen Ausschlusskriteriums besitzt, wird immer wieder zu Beeinträchtigungen führen. Allerdings ist dafür zu sorgen, dass die Gleichrangigkeit der Anliegen ernst genommen wird, und die Befürworter des Schutzgutes Kultur nicht von vorneherein auf verlorenen Posten stehen.
Kulturlandschaftschutz als Teil der Energiewende – Beispiele aus Bayern
Grundsätzlich lassen sich im Umgang mit dem Dezentralisierungsprozess der Energieerzeugung – in räumlicher und damit kulturlandschaftlicher Hinsicht lässt sich die Energiewende neutral so umschreiben – theoretisch zwei unterschiedliche Strategien einschlagen. Schlagwortartig knapp werden diese als „Negativplanung“ und „Positivplanung“ bezeichnet.
Die Negativplanung wäre demnach die heute überwiegende Vorgehensweise einer distinktiven Landschaftsbewertung, also die Festlegung von Vorrang- oder Ausschlussgebieten für neue Energien, insbesondere für Windkraft. Dies findet heute auf der Ebene der Regionalplanung statt.
Demgegenüber stehe die „Positivplanung“, die landschaftsästhetische Aspekte bei der Anlage von Windenergiestandorten zum Grundsatz machen und so ein gelingendes Kultur-Natur-Verhältnis erreichen will. Im Klartext: Es sei möglich, auch Windkraftanlagen zu planen, die sich harmonisch in die Kulturlandschaft einfügen. Die bisher meist übliche Vorgehensweise wird in diesem Sinn als „konservierende“ oder „kapitulierende“ Planungslogik bezeichnet. Ziel sei es dagegen, neue Energielandschaften nicht als störenden Eingriff, sondern als Grundlage einer neuen gesellschaftlichen Konzeption von Landschaft zu diskutieren. Ich halte das für eine eindimensionale, auf Landschaftsästhetik beschränkte Sichtweise, die den eigentlichen komplexen Prozessen der Standortfestlegung nicht gerecht werden kann und die daher höchsten in monostrukturierten Gebieten wie ehemaligen Truppenübungsplätzen, großen Staatsforsten oder ehemaligen Tagebauen funktionieren kann.
Sinnvoller ist da schon das Einfordern eines „dialogischen“ Planungsprozesses auch bei der Planung von Windkraftstandorten. Die dialogische Planung, die auf eine Mitwirkung aller Beteiligten und auf eine Transparenz der Planungskonzepte setzt, hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Standard in der Stadt- und Dorfplanung entwickelt. Aber das zeigt schon die Problematik: Windkraftstandorte müssen wegen ihrer weiträumigen Wirkung und wegen des einigermaßen gerechten Lastenausgleichs auf regionaler Ebene verhandelt werden. Je größer aber der Raum und die Zahl der Betroffenen, desto schwieriger sind dialogische Methoden anzuwenden. Das sind jedoch Fragen, die auf gesellschaftlicher Ebene zu diskutieren sind. Für die Denkmalpflege ging es in den zurückliegenden beiden Jahren eher darum, den Fuß überhaupt in die Tür zu bekommen.
Im Folgenden seien nun unsere Konzepte in Bayern im Umgang mit der Windkraft in den Vordergrund gerückt. Dabei soll nicht etwa der Eindruck vermittelt werden, bei uns sei alles besser. Die Baudenkmalpflege ist auch hier chronisch unterbesetzt, das Verhältnis Konservator zur Zahl der zu betreuenden Denkmale ist ähnlich dürftig wie in vermeintlich ärmeren Bundesländern. Wenn wir derzeit zumindest einen nominell besseren Stand haben, so verdanken wir das auch der Gnade der späten Geburt. Windkraft hat hier in den meisten Landesteilen erst mit der Energiewende so richtig Fahrt aufgenommen, wenngleich in einigen Regionen, vor allem im Norden, schon gewisse Dichten erreicht waren.
Im Zuge der Energiewende 2011 haben die Länder sehr schnell Richtlinien erlassen, wie mit der Windenergie unter den geänderten Rahmenbedingungen zu verfahren sei: die sogenannten „Windkrafterlasse“. Dabei ging es um Regelungen, welche Belange mit welchem Umfang und oft mit definierten Abstandsflächen noch zu berücksichtigen seien.
Schon auf dieser Ebene war Wachsamkeit gefragt. Meist wurde nur allgemein auf die Regelungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes verwiesen, so etwa in den „Hinweisen zur Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergieanlagen vom 22.05.2012“ in Mecklenburg-Vorpommern. Im Windenergieerlass Bayerns vom Dezember 2011 ist immerhin deutlich als Ziel formuliert, dass die „Umgebung landschaftswirksamer Denkmäler regelmäßig von WKA freizuhalten ist.“ Das mag mancher jetzt für Verwaltungspoesie halten, aber es ist schon ein Unterschied, ob lapidar auf die Bestimmungen des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes verwiesen wird oder ob das Schutzgut im Grundsatzpapier neben anderen Belangen gleichwertig Erwähnung findet. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen jedenfalls, dass eine konsequente Regionalplanung, die sich landespolitischer Unterstützung erfreut, die einzige Möglichkeit zu sein scheint, den Prozess der Standortfindung für Windkraftanlagen einigermaßen zu steuern.
Nun lag es an uns, es nicht dabei zu belassen, sondern in die Offensive zu gehen. Wir haben daher die landschaftsprägenden Bau- und Bodendenkmale sowie der Ensembles aus der Gesamtmenge von etwa 115.000 Baudenkmalen, 900 Ensembles und etwa 55.000 Bodendenkmalen ausgewählt. Unter landschaftsprägenden Denkmalen sind solche Bau- und Bodendenkmale zu verstehen, deren optische und/oder funktionale Wirkung in einen größeren, eben als Landschaft zu beschreibenden Raum hinausgeht. Sie dürfen also nicht nur ihre Nachbarschaft oder nähere Umgebung prägen, wie dies in der Regel etwa bei Baudenkmalen in Dörfern oder Städten der Fall ist, sondern sie müssen eine Fernwirkung besitzen, die über eine geschlossene Siedlung hinausgeht oder sie müssen einen Standort außerhalb von Ortschaften aufweisen.
Zumeist sind dies Ensembles mit ihrer Stadtsilhouette, deutlich aus Siedlungen herausragende Objekte wie Kirchen mit ihren Türmen, Einzeldenkmale in Alleinlage auf Bergen wie Burgen oder Wallfahrtskirchen oder Schlösser mit den dazu gehörigen Gartenanlagen. Schlicht, aber prägnant formuliert handelt es sich um ein landschaftsprägendes Denkmal, wenn der aufgeschlossene Betrachter eines Landschaftsausschnittes nicht eine „Landschaft mit Kirche“, sondern eine „Kirche mit Landschaft“ wahrnimmt. Die Stelle, an der diese Sichtweise im räumlichen Sinne umkippt, bezeichnet dann auch in etwa die Grenze des Wirkungsraumes des Denkmals.
Dabei muss die Umgebung für Erscheinungsbild, Wesen und Wirkung des Denkmals von solcher Bedeutung sein, dass deren Veränderung zwangsläufig auch das Denkmal berührt. Dies ist der Fall, wenn das Denkmal in seiner Aussagekraft in hohem Maße auf seine Umgebung bezogen ist, etwa durch bewusst hergestellte Blickbeziehungen, durch zugehörige Wegebeziehungen oder durch eine spezifische topografische Lage, wie das etwa bei Burgen oder Wallfahrtskirchen regelmäßig gegeben ist.
Eine Schädigung tritt dann ein, wenn die bisherige optische Dominanz des Denkmals in seinem Wirkungsraum oder dessen funktionale Beherrschung nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Das ist dann der Fall, wenn der Betrachter das Denkmal von wichtigen Blickpunkten aus nicht mehr ohne eine größer oder fast gleich groß wirkende neu errichtete Anlage sehen kann, oder wenn sich Denkmal und neue Anlage gar optisch überschneiden. Damit wird der von der unberührten Umgebung abhängige Denkmalwert erheblich gemindert.
Was bedeutet das aber in der Planungspraxis? Einigkeit besteht darin, dass eine pauschale Abstandsregelung von der WKA zum Denkmal, analog etwa zum Regelabstand zu Wohngebieten, nicht angegeben werden kann. Dies versuchen aber manche länderspezifischen Regelungen, die noch dazu großteils sehr geringe Abstände definieren, wie in Hessen, wo der neueste Kriterienrahmen für die Regionalplanung lediglich „1000 m-Abstand zu überregionalen/regionalen Denkmälern“ vorsieht. Natürlich wird man solche Leitlinien in die Diskussion einbringen, wir haben dies in Bayern mit nach Bedeutung und Wirkungsraum gestuften Abständen von drei, fünf und 7,5 km Abstand getan, aber auch darauf verwiesen, dass in manchen Fällen auch 10 km erforderlich sein könnten. Dass man dabei schnell an Grenzen gerät, zeigen die folgenden Karten. Wir haben für Bayern etwa 1500 landschaftsprägende Denkmale definiert. Nimmt man nun eine eigentlich wünschenswerte Pufferzone von 10 km an, können Sie in Bayern kein einziges Windrad mehr aufstellen. Auch bei einem Regelabstand von 5 km bliebe nicht mehr viel Raum, zumal der Denkmalbelang ja keineswegs der alleinig zu berücksichtigende ist. Drei Kilometer halten wir aber für die Ausgangsbasis, die erst einmal für jedes landschaftsprägende Denkmal einzuhalten wäre, und dann eben entsprechend mehr mit Begründung je nach Bedeutung und Wirkungsraum des Objekts.

Transparenz und frühzeitige Informationsmöglichkeiten halten auch wir für unabdingbar bei aktuellen raumwirksamen Planungen. Deswegen kann sich jeder Bürger wie auch jeder Investor selbst über die Betroffenheit landschaftsprägender Denkmale informieren und dies in seine Planungsüberlegungen einbeziehen. Die landschaftsprägenden Denkmale Bayerns können jederzeit im so genannten Bayern-Atlas abgerufen werden und auch unabhängig davon mit aktueller Planungssoftware genutzt werden. Auf dieser Basis arbeiten wir gerade an der Fortschreibung der Regionalpläne der 18 bayerischen Planungsregionen mit, die Vorranggebiete für die Windkraftnutzung festlegen sollen.
Damit ist aber ein zweites Problem noch nicht gelöst, womit wir zum Schluss, und damit zur anfänglichen Fragestellung zurückkommen. Bedeutsame Kulturlandschaften, definiert über einen hohen Anteil kulturhistorisch bedeutsamer Landschaftselemente bzw. historischer Landnutzungsformen, sind im bayerischen Windenergieerlass nur über den Faktor Landschaftsbild erfasst und damit über ihren ästhetischen, weniger ihren historischen Wert. Sie müssen daher in die Obhut des Naturschutzes und der Landschaftspflege verwiesen werden. Inhaltlich ist dies nicht ganz sachgerecht, denn sie konstituieren sich schließlich über Dichte und Bedeutung ihrer einzelnen Elemente, unter denen die Herausragenden naturgemäß Kulturdenkmale sind. Wir sehen hier die eingangs betonte inhaltliche und damit planerische und rechtliche Unschärfe bei der Behandlung von Kulturlandschaften. Wir versuchen diese Problematik über Kooperationen mit den Kollegen vom Naturschutz in den Griff zu bekommen, aber auch dies ist bei der gegebenen Personaldecke schwierig. Ansätze dazu gibt es aber dennoch in einigen Bundesländern, Nordrhein-Westfalen ist da vielleicht am weitesten fortgeschritten. Wir haben in Bayern nun gerade einen Vorschlag zu bedeutsamen Kulturlandschaften erarbeiten lassen, an dessen Konzeption die Denkmalpflege durchaus beteiligt war, das Ergebnis zeigt aber, das naturraumbestimmte Vorstellungen das Ergebnis prägen. Dies ist keineswegs nur den fachlichen Vorlieben der Bearbeiter geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass kaum ein Bundesland über fundierte Datengrundlagen hinsichtlich der tatsächlichen Überlieferungsqualitäten seiner Landschaftsräume besitzt. Wir haben in Bayern zwar schon etliche Einzelstudien durchgeführt, ein echter landesweiter Überblick fehlt immer noch, ähnlich oder noch schlechter sieht es auch anderswo aus. Die Freihaltung wertvoller Kulturlandschaften auf einer größeren Fläche muss aber unser eigentliches Ziel sein, das ist im Endeffekt wichtiger als die Schonung aller landschaftsprägenden Denkmale. Allerdings wird sich das erste Ziel nicht ohne die konsequente Beachtung des zweiten in einem wie auch immer definierten wertvollen Raum nicht erreichen lassen.
Verlässt man die Ebene der Regionalplanung und begibt man sich auf die Ebene der Genehmigungsplanung, so reichen unsere Kräfte weder in personeller, noch in technisch-methodischer Hinsicht aus. In jedem Fall sind in dieser Planungsstufe Sichtbarkeitsanalysen zwingend erforderlich, inwieweit nun wirklich und aus welchen bedeutenden Blickrichtungen Denkmale beeinträchtigt werden. Diese Analysen sind von den Investoren abzuverlangen, was heute noch nicht regelmäßig der Fall ist, doch auch hier gilt, dass der Gutachter das Sprachrohr seines Auftraggebers ist, weswegen man natürlich besser beraten ist, im Zweifelsfall eigene Daten dagegenstellen zu können.
Um sich ein vorausschauendes Urteil bilden zu können, sind Sichtbarkeitsanalysen auf Basis des digitalen Geländemodells erforderlich. Damit ist zwar noch nicht der funktionale, aber vielleicht einigermaßen der visuelle Wirkungsraum des Denkmals in Bezug zur Windkraftanlage oder umgekehrt, die Sichtbarkeit der Windkraftanlage im Raum darzustellen. Einprägsamer vor allem für Bürger und Politiker sind Visualisierungen in Form von Fotosimulationen. Aber auch sie können nur die wichtigsten Blickpunkte darstellen und sind zudem vergleichsweise leicht manipulierbar.
Bei allen politischen Vorgaben und staatlichen Regulierungen darf nicht vergessen werden, dass die Energiewende im Grundsatz als ein marktwirtschaftlicher Prozess ausgelegt ist, das heißt, es geht um Behauptung oder Verdrängung auf dem riesigen Markt der Stromerzeugung. Raumordnung in der Bundesrepublik versteht sich daher nicht als staatliche Standortplanung, sondern als Angebot gesellschaftlich moderierter und austarierter Möglichkeiten, zu denen es aus der Sicht der Betroffenen immer auch andere Lösungen, auch die Nulllösung gäbe. Es kann daher nur heißen, die bürgerschaftliche Karte in diesem Prozess zu spielen und zu stärken, und da hat der Deutsche Kunsthistorikertag mit seinem „Greifswalder Appell“ immerhin einen Anfang gemacht.
Literatur und Quellenhinweise:
Tilmann Breuer: Land-Denkmale. In: Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege, 37(1979), S. 11-24.
Tilmann Breuer: Ortsübergreifende landschaftsbestimmende Denkmale in und außerhalb der bayerischen Denkmallisten. In: 46. Deutscher Geographentag München. Tagungsbericht und wissenschaftliche Abhandlungen, Stuttgart 1988, S. 185-190.
Charles Dumas und Leo Endedijk: Meesters en molens. Van Rembrandt Tot Mondriaan. Zwolle 2007.
Norbert Huse: Unbequeme Baudenkmale. Entsorgen? Schützen? Pflegen? München 1997.
Ira Mazzoni: Stadt, Land, Klima. Bildungsoffensive für Bau- und Landschaftskultur. In: Die Denkmalpflege 70 (2012/2), S. 108-114.
Werner Nohl: Von Freileitungen, Bäumen, Tieren und Menschen. Ihre ästhetischen Wirkungen im landschaftlichen Kontext Online verfügbar
Winfried Schenk: „Landschaft“ und „Kulturlandschaft“ – „getönte“ Leitbegriffe für aktuelle Konzepte geographischer Forschung und räumlicher Planung. In: Petermanns Geographische Mitteilungen 146 (2002/6), S. 6 – 13.
Sören Schöbel: Windenergie und Landschaftsästhetik. Zur landschaftsgerechten Anforderung von Windfarmen. Berlin 2012.
Rolf Peter Sieferle: Der unterirdische Wald: Energiekrise und industrielle Revolution. München 1982.
Den Herren Dr. Martin Hahn, Reg.-Präsidium Stuttgart (Esslingen), Dietmar Kraußer, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (Wünsdorf) und Dr. Heiko K. L. Schulze, Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein (Kiel) danke ich für Bildmaterial und weitere Anregungen.
Sehr geehrter Herr Gunzelmann,
als grüne Kommunalpolitikerin bin ich an Ihrer Argumentation sehr interessiert – ich bin auch der Meinung, dass die Erreichung der Balance Ökologie + Ästhetik eine politische Forderung sein müsste….die 3 km – Zone erscheint mir auch ein guter Kompromiss bei der Aufstellung der Windräder….sehr gerne würde ich Sie zu einer grünen Veranstaltung einladen..wäre das aus Ihrer Sicht möglich ?
Ich bin beim Stöbern im Netz gerade auf Ihre Publikation über Rattelsdorf gestoßen und habe sie mit grossem Genuss gelesen. Besonders die Passagen über die Interpretation der Informationen des Uraufnahmeblatts sprechen mir aus dem Herzen, da ich schon seit vielen Jahren über dem Uraufnahmeblatt meines Heimartorts Rödelmaier brüte und immer wieder neue Details entdecken kann.
Franz-Josef Schmitt, Architekt und Stadtplaner
Sehr geehrter Herr Dr. Gunzelmann,
der Deutsche Werkbund Bayern, in dessen Vorstand ich bin, beschäftigt sich auch seit geraumer Zeit mit dem Thema Energiewende und die Auswirkungen auf unser Dorf- und Landschaftsbild in Bayern.
Ich habe Ihren Vortrag am vergangenen Dienstag im Landesamt gehört und bin sehr beeindruckt. Da ich am Ende noch längere Zeit mit einem anderen Zuhörer – auch außerhalb des Hauses – diskutiert habe, kam es nicht mehr zu einem persönlichen Kontakt mit Ihnen. Gerne würde ich ihn aber – wenn Sie einverstanden sind – bei nächster Gelegenheit nachholen.
Am kommenden Montag haben wir Vorstandssitzung. Dort will ich über Ihren Vortrag berichten. Anschließend würde ich mich gerne wieder bei Ihnen melden.
Mit besten Grüßen
Ihr
Horst Haffner
Dipl.Ing. Architekt
(1988-2004 Baureferent der Landeshauptstadt München)